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Strategie-, Visions-, Ziel-, Prozess-, Leit- oder Dialogbild? Was ist was?

Arbeiten, die in irgendeiner Form eine Strategie visualisieren, werden oft nicht live gezeichnet, da sie in der Regel mehrere Absprachen und Korrekturen bedürfen. Meistens werden die Inhalte, die es in so einer Form der Visualisierung darzustellen gilt, vorher intern erarbeitet. Dieses kann dann als Ausgangspunkt für die Visualisierung genutzt werden. 

 

Eine strategische Visualisierung live zu zeichnen, ist die Königsdisziplin des Graphic Recordings bzw. des Visual Facilitations, weil man auf Anhieb die Strategie verstehen muss, was ohne Vorkenntnisse kaum möglich ist. Die Visualisierungen, die nicht live gezeichnet sind, bezeichne ich mit dem Überbegriff »Strategische Visualisierung« oder »Strategiebild«, andere Visualisierer haben andere Begriffe (wie beispielsweise Visual Storytelling) hierfür gefunden.

 

Der Einfachheit halber habe ich mich hier auf einen Überbegriff reduziert und ordne hier nach meinem persönlichen Verständnis eine Vielzahl an Begriffen unter, wie Dialog-, Prozess-, Ziel-, Visions-, Leit-, Werte-, Strategie- sowie Wimmelbild, Visual Storytelling und so weiter. 

 

Oft meinen diese unterschiedlichen Bezeichnungen das Gleiche oder es wird ein Begriff für etwas ganz anderes genutzt. All das führt sowohl bei den Visualisierern als auch bei den Kunden manchmal zu Verwirrung oder gar Missverständnissen.

 

Dieses hier ist ein Versuch, eine schlüssige Erklärung, basierend auf meiner Arbeit in diesem Bereich, für diese Begriffe zu definieren. Mischformen sind auch hier eher die Regel als die Ausnahme. Mein grundsätzlicher Tipp bei dieser Begrifflichkeits-Verwirrung: Nicht so sehr an den Worten festhängen, sondern sich lieber auf die Inhalte konzentrieren und die »W?«-Fragen. Wer soll das Bild am Ende verstehen? Für wen ist das Bild gedacht? Was soll damit ausgesagt werden? Was sind die Hauptaussagen? Was ist das Ziel? usw.


Der hier vorliegende Text ist meinem Buch

"Graphic Recording. Das 1x1 der Live Visualisierung",

erschienen im MITP Verlag, entnommen. 

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Dialogbild

Diese Form des Bildes soll zu einem Dialog auffordern. Der Sinn eines Dialoges ist die Beschäftigung mit dem Inhalt. Wenn Mitarbeiter sich mit einem vorliegenden Bild beschäftigen und darüber in den Dialog gehen, kann das zur Folge haben, dass eine Weiterentwicklung des Bildes entsteht. Das Dialogbild kann demzufolge nie fertig sein, sondern ist immer nur eine Einladung zu einem weiteren Gespräch und der Beschäftigung mit den Inhalten. Ein Dialogbild kann deshalb auch live auf Papier entstehen, weil auch diese Form zum Dialog einlädt. Ein Dialogbild kann alles sein: eine Mission, Vision, Werte, Leitlinien, Ideen, eine Strategie usw.


Prozessbild

Ein Prozess (von lateinisch procedere, »vorwärts gehen«) kann als ein Verlauf, eine Entwicklung oder ganz allgemein als ein System von Bewegungen bezeichnet werden. Im betrieblich-organisatorischem Zusammenhang werden Prozesse auch als Geschäftsprozesse oder Wertschöpfungsprozesse bezeichnet. Für die Visualisierung eines Bildes bedeutet das, dass hier eigentlich alles gezeichnet werden kann, was in irgendeiner Form in Bewegung ist und sich fortlaufend weiter entwickelt. Auch ein Prozessbild kann demzufolge nie wirklich fertig sein, sondern immer nur eine Aufforderung zum Weiterdenken oder neuen Gesprächen darstellen. 


Zielbild

Firma X hat ein klares Ziel für sich definiert: Den Gewinn in fünf Jahren um 5 Prozent zu steigern oder Person Y hat das persönliche Ziel, ein Bruttoeinkommen von EUR 100‘000 in zwei Jahren zu erreichen. Das sind klare Ziele, welche die Fragestellungen von hinten aufrollen lassen. Was braucht es, vom heutigen Standpunkt aus gesehen, um dahin zu kommen? Manchmal werden in einem Zielbild auch ganz konkrete Zahlen und Fakten genannt, die es zu erreichen gilt. Das nennt man dann strategische Ziele, wenn konkrete Maßnahmen mit einem Budget oder Indikatoren hinterlegt sind, die eine Erfolgskontrolle ermöglichen.


Visionsbild

Ich denke, es geht hier eher in eine philosophische Frage hinein, inwieweit eine Vision auch ein Ziel ist oder umgekehrt. Ein Ziel ist wahrscheinlich klarer definiert und eine Vision oft in einem großen Kontext eingebettet und auch viel weiter gefasst. Um ein Bild davon zeichnen zu können, ist die Bezeichnung wahrscheinlich eher zweitrangig. Wichtig ist hier eher die Klarheit des Kunden, was er mit diesem Bild aussagen und wen er damit erreichen möchte. Oft haben Visionen in Unternehmen einen qualitativen Charakter. Mit einer guten Unternehmensvision kann man ungeahnte Kräfte freisetzen. Mit einer Vision zeichnet man (nicht nur im übertragenen Sinne) ein großes Bild der Zukunft. Sie beschreiben, wo es hingehen soll.

 

Eine richtige Vision begeistert Menschen und stellt ein gemeinsames Verständnis her. Wikipedia hat beispielsweise eine Vision, die, wie ich finde, sehr gut funktioniert: »Imagine a world in which every single person is given free access to the sum of all human knowledge.« Diese Vision ist emotional aufgeladen und begeistert die Menschen, die es als eine gute Sache ansehen, Wissen zu teilen. Sie gibt eine Richtung vor, aber keine Details. Sie ist zeitlich nicht fixiert. Es ist keine Deadline dabei. Sie drückt eindeutig den Nutzen aus, ist ein Mehrwert für die Gesellschaft und gibt den Mitarbeitern Orientierung und bietet zusätzlich noch Sinn.

 

Eine Vision kann also in einem Unternehmen sehr hilfreich sein. Man kann sich vorstellen, dass eine visualisierte Form davon mit all ihren Unterthemen, wie man diese erreichen könnte, einen großen Einfluss auf die Mitarbeiter oder den Kunden haben kann.

 

Ein kleiner persönlicher Kommentar sei an dieser Stelle erlaubt: ich finde, dass viel zu viele Visionen, die ich bis her gezeichnet habe, zu austauschbar, zu lang und zu wenig spitz sind. Das liegt wahrscheinlich zum einen daran, dass man versucht, viele Meinungen und Ideen unter einen Hut zu bringen und zum anderen liegt es vielleicht auch daran, dass es wirklich nichts wirklich Einzigartiges gibt, da die Produktpalette oft immer weiter ausgedehnt wird und damit der Konzern/Firma austauschbar wird. 


Leitbild

Ein Leitbild ist eigentlich eine rein schriftliche, nicht gezeichnete Erklärung einer Organisation über ihr Selbstverständnis, ihre Werte und Grundprinzipien. Ein Leitbild ist etwas, was ein Unternehmen fortlaufend bei allen Handlungen begleitet. Dabei geht es hauptsächlich darum, wie die Dinge erreicht werden können und dies soll ganz konkret die tägliche Arbeit erleichtern. Nach innen soll ein Leitbild Orientierung geben und somit handlungsleitend und motivierend sein. Für die Öffentlichkeit und/oder den Kunden soll es deutlich machen, wofür eine Organisation steht. Ein Leitbild soll Anleitung zum täglichen Verhalten geben und auf ein fernes Ziel hinarbeiten. 


Storytelling

Die Visualisierung wird beim Storytelling genutzt, um eine Geschichte zu erzählen. Beispielsweise die einer Customer Journey. So eine Geschichte hat natürlich einen Anfangs- und Endpunkt und damit auch ein Ziel. Die Grenzen zum Zielbild sind hier also verschwommen. Vielleicht kann man als Abgrenzung sagen, dass ein Storytelling den Fokus auf der Geschichte selbst hat und ein Zielbild auf dem Ziel. Ein Storytelling kann auch beispielsweise die Geschichte einer Firma oder eines Menschen sein. Das hier gezeigte Beispiel ist ein gezeichneter Lebenslauf und damit das Storytelling einer einzelnen Person.


Strategiebild

Eine Strategie ist das Fahrzeug, mit dem man das Ziel erreicht. In Abgrenzung zum Leitbild, das die Werte im Fokus hat, fokussiert die Strategie Entscheidungen, die für die Erreichung dieses Ziels relevant sind. Zum Beispiel kann eine Strategie sein, das Wachstumsziel zu erreichen, indem man Marktführer bei den großen Supermarktketten wird. Oder indem man all seine Kräfte auf die drei größten Marken setzt und sich von kleinen Marken trennt. 


Fazit

Im Prinzip ist das Wort, welches für diese Form der Visualisierung genutzt wird, nicht so wichtig. Grundlegend ist vielmehr die Intention, die dahinter steckt. Warum und »Wozu?« soll das Bild gezeichnet werden? Welches Ziel soll damit erreicht werden? Wem soll mit diesem Bild was erklärt werden? Diese Fragen können helfen, dem Kind einen Namen zu geben.

 

Ich persönlich nenne (wie bereits erwähnt) alle diese Bilder gerne einfach nur »strategische Visualisierungen« oder »Strategiebild«, um mir das Leben etwas einfacher zu machen.


Wenn Sie dazu Fragen, Ideen oder Anmerkungen haben: lassen Sie es mich gerne wissen. Auch ich bin eine ewig Lernende.

Mit den besten Grüßen, Ihre

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