In meinem letzten Blogbeitrag habe ich über den Mehrwert von Visualisierungen in Online-Meetings geschrieben, welche man im Vorfeld vorbereitet und dann während des Meetings benutzt: Von einer schön gestalteten Einladung über Pausenzeichen bis hin zu Templates für Gruppenarbeiten. Hier gibt es 1000 Möglichkeiten, ein Meeting aufzuwerten und für die onlinemüden Teilnehmer interessanter zu gestalten. (Mehr dazu hier).
Diese Form der Gestaltung kann im Prinzip jeder. Dafür muss man niemanden wie mich buchen. Man darf es natürlich, denn natürlich ist das mein Beruf und ich kann es bestimmt schick, sexy und sinnvoll in den Prozess eingebettet. Aber es ist nun mal nicht immer im Budget drin, jemand Externen dazu zu buchen.
Es gibt nämlich noch ein Feld, das wirklich nicht jeder abdecken kann. Und das ist das Live Mitzeichnen WÄHREND eines Meetings. Das Online Graphic Recording, oder auch Remote Graphic Recording genannt.
Ich möchte nun erstmal darauf eingehen, welche Vorteile es grundsätzlich hat, ein Meeting von jemandem wie mich mitzeichnen und begleiten zu lassen, um dann ganz speziell auf Online-Meetings einzugehen.
Warum Graphic Recording bei einem Meeting?
Seit 16 Jahren darf ich nun regelmäßig in andere Welten abtauchen und mit meinem Blick von außen Gesprächen lauschen, Emotionen aufnehmen und hitzigen Diskussionen durch meine Neutralität etwas den Wind aus den Segeln nehmen und damit mehr Raum geben für neue Lösungsansätze.
Mein Geist steckt niemals im Detail fest, weil ich diese gar nicht kenne. Und wenn ich mit dem Rücken zur Gruppe stehe (was ich zwangsläufig muss, wenn ich an einer Wand zeichne), weiß ich noch nicht mal, ob der Praktikant oder der CEO spricht.
Ich hole jede Stimme in den Raum und gebe dieser Platz auf meinem Papier. Jeder fühlt sich gesehen mit seinen Emotionen und Gedanken.
Ich filtere, ordne und strukturiere eine Diskussion ganz neutral. Vor Ort entsteht ein neues und vollständiges Bild vom Geschehen. Im übertragenden Sinne und auch in echt.
Anders als beim Graphic Recording in Konferenzen kann ich mich auf so eine Live-Visualisierung nur bedingt vorbereiten (mehr zum Thema Konferenzen im nächsten Blog). Ich kenne natürlich das übergeordnete Thema, die Agenda und häufig auch die Schmerzpunkte. Aber ich weiß nicht, wie die Gruppe diskutieren wird, was daraus an neuen Ideen und Ansatzpunkten entsteht.
Ich gehe dann ganz mit dem Satz, den ich in meiner Facilitator Ausbildung der Kommunikationslotsen gelernt habe "Das Wissen liegt im System".
Das Wissen, welches es wie einen Schatz zu heben gilt, ist vor Ort, in der Gruppe, bei den Teilnehmern dieses Meetings. Man muss nur wirklich zuhören und an der richtigen Stelle das Gesagte zu Papier bringen. Das ist übrigens einer der Hauptgründe, warum wir Graphic Recorder eher den Tagessatz eines Unternehmensberaters bekommen und nicht den eines Illustrators. Der springende Punkt ist nicht das Zeichnen, sondern das "an der richtigen Stelle".
Es gibt immer mal wieder Aufträge, wo die Sekretärin des Chefs mir mitteilt, ich soll dieses und jenes vom Chef aufzeichnen und dieses und jenes aus der Gruppe weglassen. Diese Form des Graphic Recordings halte ich für totalen Quatsch und ich fühle mich dann auch immer wie ein überbezahlter Zeichenclown. Aber das ist eine Haltungsfrage in der Führung und ich bin mir sicher, dass Top-Down ein Modell ist, das eh aussterben wird.
(Dieses Foto ist bei einer Konferenz entstanden. Nicht bei einem Meeting. / Stefan Schöning Fotodesign / Kunde: Wirtschaftsverband Emsland, im Auftrag für bikablo)
Wenn man aber wirklich auf Augenhöhe diskutieren möchte, wenn man neue Lösungsansätze zusammen mit seinem Team entwickeln möchte, dann fühle ich mich richtig. Das sind die Aufgaben, die wirklich Sinn machen und einen enormen Mehrwert für die Gruppe schaffen.
So ein Bild ist niemals fertig, sondern immer nur der Auftakt für ein neues Gespräch. Sinn macht so ein Bild, wenn man sich eine Stunde später, einen Tag, eine Woche oder auch mehrere Jahre später davorstellt und ein erneutes Gespräch führt mit den Fragen "was haben wir erreicht?", "wo gab es Schwierigkeiten?", "worauf sollten wir noch mehr Fokus legen?".
All diese Fragen kann man sich nach einer gewissen Zeit stellen, denn die damals festgehaltenen Aussagen regen zum Austausch und Weiterdenken an. Kein Mensch würde das gerne und mit Freude mit der PowerPoint Präsentation vom letzten Kick-Off-Meeting von vor einem Jahr tun. Zumindest kenne ich keinen, der mit voller Leidenschaft alte PPP ansieht.
Die Wort-Bild-Kombinationen in einem Graphic Recording lassen das gesprochene Wort länger im Gedächtnis bleiben, und nicht selten schleicht sich auch ein Lächeln in die Gesichter der Teilnehmer ein, die gerade noch verunsichert oder verärgert waren.
Manchmal ist so ein Bild am Ende des Tages auch gar nicht wirklich schön. Das kommt auch vor. Und manchmal ist es so schön, dass es großformatig in die Besprechungsräume gehängt wird. Und manchmal kann nach einem Jahr ein so mühselig diskutiertes und vielleicht auch sehr schönes Bild schon wieder nicht mehr aktuell sein. Das ist dann auch gut so, denn es zeigt, dass sich was bewegt hat, dass sich Dinge verändert haben und das Team weitergedacht hat.
Und manchmal gibt es auch alle Möglichkeiten dazwischen.
Relativ häufig werde ich angefragt, ein Meeting mitzuzeichnen mit dem Wunsch, hinterher ein schönes und stimmiges Bild zu haben. Das funktioniert oft. Manchmal aber auch nicht. Ich weiß ja nie, was gesprochen werden wird. Dann kann ich im Nachgang aber ein stimmiges Bild daraus zaubern. Entweder mit eventuellen Veränderungsmöglichkeiten, wenn das Bild digital entstanden ist. Oder, falls das Bild auf Papier gezeichnet worden ist, zeichne ich es einfach nochmal neu.
Und nun kommen wir endlich zum Thema Graphic Recording in Online-Meetings. Denn der wirklich große Vorteil bei Online-Meetings ist es, dass ich digital zeichne. Ich kann natürlich auch digital im echten Raum zeichnen, aber der Effekt, dass man mir im Entstehungsprozess über die Schulter schauen kann, geht dann verloren. Anders ist es im digitalen Raum. Hier zeichne ich von Anfang an digital, was, Tata! Jetzt kommt der große Vorteil!, Korrekturmöglichkeiten zu lässt. Ein auf dem iPad gezeichnetes Graphic Recording lässt sich am Ende des Tages nochmal neu strukturieren und aufbauen. Ich kann Dopplungen einfach wieder löschen und die Essenz im Nachgang hervorheben. All das wäre auf Papier ja gar nicht möglich. Ist ja oft auch gar nicht nötig, aber manchmal dann eben doch.
In der Regel zeichne ich bei Online-Meetings das Geschehen live auf dem iPad mit.
Diesen Entstehungsprozess kann man entweder die ganze Zeit live mitverfolgen, oder ich spreche vorher mit dem Kunden ab, wann ich wie meinen Bildschirm teile. Dafür eignen sich beispielsweise häufig die 5 Minuten vor der Pause, in denen ich rückblickend aufzeige, wie ich die Dinge verstanden habe und was ich gezeichnet habe. In der Pause bleibt dann mein Bild einfach stehen, sodass sich die Teilnehmer, wenn sie möchten, das nochmal im Detail anschauen können.
Auch als vorletzter Agendapunkt wird mein Bild genutzt, um auf das Erreichte des Tages zurück zu blicken und auch als erster Agendapunkt im Folgemeeting. Die Teilnehmer können sich mit Hilfe so eines Bildes die gesagten Dinge viel besser merken, und - vor allem - es bringt wirklich mehr Farbe rein in ein Online-Meeting, hält wach und bei Laune. Ich kann mir eigentlich kein wirklich wichtiges Meeting ohne diese Live Visualisierung vorstellen.
Für Rückfragen stehe ich sehr gerne zur Verfügung und für eine ganz grobe Übersicht über die Preise habe ich hier mal ganz unverbindlich etwas zusammen gestellt.
Vielleicht hat ja der ein oder andere Leser dieses Blogs Lust bekommen, beim nächsten Meeting eine Live Visualisierung auszuprobieren.
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